Artikel 2: Lichtpolarisation in der Quantenmechanik

Ein Polarisationsfilter wird orthogonal zur Lichtausbreitung aufgestellt, die parallel zum Boden sein soll. Der Filter lässt sich in dieser vertikalen Ebene in jede Richtung einstellen (horizontal: 0°, diagonal: 45° und 135°, vertikal: 90°). Die Intensität unpolarisierten Lichts wird durch jede Filtereinstellung auf die Hälfte reduziert. Diese Hälfte ist danach in Richtung der Filtereinstellung polarisiert. Bei (linear) polarisiertem Licht hängt das Passieren eines Filters vom Winkel zwischen der Polarisationsrichtung des Lichts und der Einstellrichtung des Filters ab. Dieser Winkel liegt im Bereich von 0° bis 90°. Die Lichtintensität, die den Filter passiert, errechnet sich als das Quadrat des Cosinus und die, die absorbiert wird, als das Quadrat des Sinus dieses Winkels:

Winkel

10°

20°

30°

40°

50°

60°

70°

80°

90°

Mittel

cos2

100%

97,0%

88,3%

75%

58,7%

41,3%

25%

11,7%

3,0%

0%

50%

sin2

0%

3,0%

11,7%

25%

41,3%

58,7%

75%

88,3%

97,0%

100%

50%

Tabelle 1

Die Intensität von 0°-polarisiertem Licht wird durch einen 45°-Filter auf 50% reduziert. Das durchgelassene Licht verhält sich wie 45°-polarisiertes Licht. Man kann es durch einen 90°-Filter orthogonal zum ursprünglichen Wert polarisieren. Die Intensität beträgt dann noch 25%. Lässt man den 45°-Filter weg und schickt das 0°-polarisierte Licht direkt durch den 90°-Filter, wird das ganze Licht absorbiert. Nur wenn man nicht in Betracht zieht, dass Filter Licht verändern, kann man sich wundern, dass zwei Filter weniger Licht absorbieren als nur der zweite alleine.

Stellen wir uns Licht als Menge von Photonen vor. Das einfachste realistische Modell für das Polarisationsverhalten ist folgendes:

1)      Die Polarisationsrichtungen aller Photonen sind bestimmt. Unpolarisiertes Licht setzt sich aus Photonen zusammen, deren Polarisationsrichtungen zufällig und somit gleichverteilt sind.

2)      Die Cosinus-Quadrat-Funktion des Winkels zwischen Polarisationsrichtung und Filtereinstellung ergibt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Photon einen Polarisationsfilter passiert.

3)      Nach dem Passieren eines Polarisationsfilters sind Photonen in Richtung des Filters polarisiert.

Das Modell der Quantenmechanik ist weit weniger transparent:

1)      Da die Polarisation nur mittels Polarisationsfilter (und Detektor) gemessen werden kann und ein Photon den Filter entweder passiert (Passierwert 1) oder nicht (Passierwert 0), wird aus der Polarisation ein (mit der Einstellrichtung des Messfilters verknüpftes) zweiwertiges Attribut.

2)      Das Postulat der Unbestimmtheit verbietet, für Photonen schon bei der Entstehung eine bestimmte Polarisation anzunehmen, was auch aufgrund von Punkt 1) kaum möglich ist. Bei unpolarisiertem Licht unterscheiden sich die Photonen nicht durch ihre Polarisation.

3)      Das Verhalten von Photonen beim Durchgang von Polarisationsfiltern wird mit Formeln erklärt, die die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der die Photonen (theoretisch) in einem Messgerät registriert werden. Auf eine Vorstellung, was mit den Photonen zwischen Erzeugung und Messung geschieht, wird verzichtet.

Die von der Quantenmechanik für ein beliebiges Photon berechnete Wahrscheinlichkeit ergibt sich im realistischen Modell bei unbekannter Polarisationsrichtung. Während im realistischen Modell bei beliebigem Filter die Passierwahrscheinlichkeiten von Photonen unpolarisierten Lichts im Bereich von 0% bis 100% schwanken und nur im Mittel 50% betragen, postuliert die Quantenmechanik für jedes einzelne Photon eine Passierwahrscheinlichkeit von 50%.

Als Folge von Erhaltungssätzen lassen sich Paare parallel korrelierter Photonen erzeugen, die gemessen werden können. Wenn beide Partner ihren Messfilter passieren (1:1) oder keiner (0:0), ist der Übereinstimmungswert 1, wenn einer passiert und der andere nicht (0:1 oder 1:0), ist er 0. Der Übereinstimmungswert ist wie der Passierwert ein zweiwertiges Attribut, das von einem Winkel abhängt, nämlich dem zwischen den Einstellrichtungen der beiden Messfilter. Wird man zu der Vermutung nicht geradezu verführt, dass dieses Attribut der Cosinus-Quadrat-Funktion unterliegt? Diejenigen, die bei der Konstruktion der Quantenmechanik solche Vermutungen zum Postulat erhoben, waren sich der Konsequenzen nicht bewusst.

Dieses Postulat bringt das realistische Modell zu Fall, denn 100%-ige Übereinstimmung der Messwerte, wie sie die Quantenmechanik bei paralleler Einstellung beider Messfilter fordert, ist nicht möglich. Unabhängig vom Wert dieser gemeinsamen Einstellrichtung liegt der Winkel zwischen dieser Richtung und der Polarisationsrichtung beliebiger Photonenpaare gleichverteilt im Bereich von 0° bis 90°. Die cos2-Funktion des Winkels drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Partner seinen Filter passiert. Ihr Quadrat, die cos4-Funktion, drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass beide ihren Filter passieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass keiner passiert, wird durch die sin4-Funktion ausgedrückt, Übereinstimmung der Passierwerte durch die Summe der beiden Funktionen:

Winkel

10°

20°

30°

40°

50°

60°

70°

80°

90°

Mittel

cos4

100%

94,0%

78,0%

56,3%

34,4%

17,1%

6,25%

1,37%

0,09%

0%

37,5%

sin4

0%

0,09%

1,37%

6,25%

17,1%

34,4%

56,3%

78,0%

94,0%

100%

37,5%

Summe

100%

94,1%

79,4%

62,4%

51,5%

51,5%

62,6%

79,4%

94,1%

100%

75%

Tabelle 2

Während die Quantenmechanik hier eine 100%-ige Übereinstimmung der Passierwerte postuliert, ergibt das realistische Modell nur eine 75%-ige. Oft wird behauptet, Experimente zum Bellschen Theorem hätten alle realistischen Modelle widerlegt. Diese Experimente halten jedoch einer kritischen Analyse nicht stand. Es ist erstaunlich, dass riesige Unterschiede zwischen den Voraussagen der Quantenmechanik und denen des (einfachsten) realistischen Modells bestehen, andererseits die bisherigen Experimente sogar von Physikern, die von der Richtigkeit der Quantenmechanik überzeugt sind, in Zweifel gezogen werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

<Weder Filter noch Detektoren funktionieren einwandfrei. Ein Detektor registriert nur etwa 10% der Photonen. Photonen verschwinden in der Optik. Man kann nicht mit Sicherheit feststellen, ob es sich bei zwei gemessenen Photonen um solche handelt, die miteinander korreliert sind.

Das Bellsche Theorem, das den bisherigen Experimenten zugrunde liegt, sagt die Unvereinbarkeit der Quantenmechanik mit allen denkbaren 'realistischen' Modellen aus und ist in quantitativer Hinsicht weniger stark, als der hier aufgezeigte Vergleich der Quantenmechanik mit dem natürlichsten realistischen Modell. Neue Experimente sollten die Quantenmechanik direkt mit diesem Modell vergleichen, und zwar bei parallel und orthogonal korrelierten Photonenpaaren bei parallel und orthogonal zueinander eingestellten Messfiltern.

Ein psychologischer Grund liegt im Glauben und Hoffen der Experimentatoren. Diese sind meist Anhänger der Quantenmechanik. Ein echtes Verständnis dieser undurchsichtigen Theorie ist nicht möglich. Aufbauend auf unverstandenen Arbeiten anderer planen sie Experimente, für die es nur zwei Resultate gibt: Erfolg und Bestätigung oder Misserfolg und tiefe Ratlosigkeit. Wie wir alle tendieren auch die Experimentatoren dazu, einen Misserfolg bewusst und unbewusst zu vermeiden, und weichen einer Widerlegung ihres Glaubens durch ein Experiment (oder durch Denken) instinktiv aus. Anstatt die Experimente auf das Wesentliche zu beschränken und sie so einfach und effizient wie möglich zu gestalten, wird auch oft vom Wesentlichen abgelenkt.>

Im realistischen Modell lassen sich die Voraussagen der Quantenmechanik zu korrelierten Photonen nur erklären, indem man sie als Zusatz in das Modell aufnimmt. Die Problematik lässt sich anhand von Würfeln aufzeigen: <Jede Seite ist gleichberechtigt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/6. Würfelt man mit zwei Würfeln, ist die Wahrscheinlichkeit für zwei gleiche Seiten 1/6. Wenn sich aber zwei Würfel so korrelieren liessen, dass sie bei gleichzeitigem Wurf immer auf dieselbe Seite fielen, müssten wir dieses Faktum als Zusatz zu unseren bisherigen Kenntnissen der Würfel akzeptieren.> Wenn die irritierenden Korrelationen von Passierwerten bei korrelierten Photonen tatsächlich existierten, müssten wir sie in unser Modell miteinbeziehen, wobei sie als Folge der paarweisen Korrelation der Photonen und nicht als Folge eines allgemeinen Formalismus anzusehen wären.

Viel schwerer lasten diese Messwertkorrelationen auf der Quantenmechanik und auch hier stellen sie sich als Fremdkörper heraus. Prinzipiell soll die Polarisation eines Photons bis zu einer Messung unbestimmt sein. Aber jetzt kommt folgende Ausnahme hinzu: Ausser es handelt sich um das zweite von zwei korrelierten Photonen, und das erste hat eine Messung hinter sich. In diesem Fall kann bei entsprechendem Versuchsaufbau die zu messende Polarisation des zweiten Photons durch das Messresultat des ersten vollständig bestimmt sein.

Klar formuliert wurden solche Ausnahmen von der Unbestimmtheit 1935 im EPR-Gedankenexperiment. Das zwang die Vertreter der Quantenmechanik, das Prinzip der Nicht-Lokalität (Fernwirkungen werden seit Descartes als einer Wissenschaft unwürdig angesehen) einzuführen, das besagt, dass eine Messung eines Quantensystems sich augenblicklich auf ein beliebig weit entferntes anderes Quantensystem auswirken kann. Es wurden verschiedene Versuche gemacht, realistische Modelle ohne Fernwirkung zu konstruieren, die mit der Quantenmechanik übereinstimmen. Die Unmöglichkeit solcher Modelle wurde erst 1965 im Bellschen Theorem aufgezeigt.

Der Versuch, ein solches Modell zu konstruieren, ist lehrreich. Betrachten wir bei parallel korrelierten Photonenpaaren den Fall, wo beide Messfilter parallel eingestellt sind. Die Quantenmechanik sagt 100%-ige Übereinstimmung der Passierwerte voraussagt. Da beide Photonen eines Paars sich gleich verhalten, ohne miteinander zu kommunizieren, müssen sie für jeden Winkel der möglichen Filtereinstellung denselben Passierwert (0 oder 1) mit sich tragen. Da beide Passierwerte gleich häufig auftreten, muss der Winkelbereich 0° bis 180° in zwei gleich grosse Bereiche 0 und 1 aufgeteilt sein. Die einfachste Aufteilung ist in zwei zusammenhängende Bereiche. Ein Photon passiert einen Filter, dessen Einstellung in seinem Bereich 1 (z.B. 30°-120°) liegt, und wird absorbiert, wenn diese Einstellung in seinem Bereich 0 (120°-180°, 0°-30°) liegt.

Miteinander parallel korrelierte Photonen haben also gleiche Winkelaufteilungen. Wie sieht die Übereinstimmung der Passierwerte aber aus, wenn der Winkel zwischen beiden Filtereinstellungen einen Wert zwischen 0° und 90° annimmt? Man kann leicht erkennen, dass die Übereinstimmung linear von 100% auf 0% abnimmt. Die Voraussagen der Quantenmechanik ergeben sich nur bei 0° (100%), 45° (50%) und 90° (0%).

Bei komplizierteren Aufteilungen muss gefordert werden, dass orthogonal zueinander stehende Winkel immer unterschiedlichen Bereichen angehören, denn nur so ist 0%-ige Übereinstimmung der Passierwerte parallel korrelierter Photonen bei orthogonal zueinander eingestellten Filtern möglich. Gehört 20° bis 30° zu Bereich 1, so muss 110° bis 120° zu Bereich 0 gehören. Man stellt fest, dass solche komplizierteren Aufteilungen nur zu noch grösseren Abweichungen von der Quantenmechanik führen als die einfachste Aufteilung in zwei zusammenhängende Bereiche.

Dass ohne Fernwirkung den Voraussagen der Quantenmechanik nicht beizukommen ist, zeigt auch folgende Überlegung zur Messung parallel korrelierter Photonen:

1.      Werden beide Messfilter auf 90° (vertikal) eingestellt, fordert die Quantenmechanik eine Übereinstimmung der Messwerte von 100%.

2.      Dreht man den linken Filter auf 60°, fordert die Quantenmechanik eine Übereinstimmung von 75%, d.h. 25% der linken Photonen weichen vom Verhalten ab, das sie bei der ursprünglichen Filtereinstellung hätten.

3.      Dreht man den linken Filter auf 90° zurück und den rechten auf 120°, weichen 25% der rechten Photonen vom Verhalten ab, das sie bei der ursprünglichen Filtereinstellung hätten.

4.      Stellt man gleichzeitig den linken Filter auf 60° und den rechten auf 120°, verhalten sich 25% der linken und 25% der rechten Photonen abweichend. Also muss die Übereinstimmung zwischen den Messwerten mindestens 50% betragen. Die Quantenmechanik postuliert aber 25%.


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