Die demographische Sättigungstheorie


Wer die Wahrheit liebt, sucht sie auch dort, wo er sie lieber nicht haben möchte.


Als allgemein anerkannte Merkmale der demographischen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg gelten:

1.      Schneller demographischer Übergang (Mortalitätsrückgang gefolgt von einem Fertilitätsrückgang nach unterschiedlichem Zeitintervall) nicht nur in den entwickelten Ländern, sondern inzwischen sogar in vielen der ärmsten Länder.

2.      Nachkriegs-Baby-Booms in den OECD-Ländern, gefolgt von sehr tiefer Fertilität nach 1970.

3.      Bevölkerungsabnahme in vielen ehemaligen Ostblockstaaten nach dem Zusammenbruch des 'kommunistischen' Systems wegen hoher Mortalität, tiefer Fertilität und Auswanderung (z.B. nach Deutschland, Israel und in die USA).

4.      Global gesehen viel kleinere Zuwachsraten als erwartetet mit den höchsten Zuwachsraten in den ärmsten Ländern.


Demographische Prognosen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren haben sich vielfach als wertlos herausgestellt.

1.      Die Hochrechnungen für die entwickelten Länder aus den 60-iger Jahren wurden durch den rapiden Geburtenrückgang zu Zahlenspielereien. Anstatt zu exponentiellem Wachstum kam es zu erstaunlich konstanten Bevölkerungszahlen.

2.      In den 70-iger Jahren sahen die wenigsten Demographen den schon einsetzenden Fertilitätsrückgang in China voraus. Ein grosser Einfluss des Staates auf die Fertilität wurde damals von den meisten Demographen für unmöglich gehalten.

3.      Noch 1992 prognostizierte die Uno, dass die Bevölkerung der Sowjetunion (gemäss der wahrscheinlichsten Entwicklung) sich erst bei 416 Millionen stabilisieren werde. Die letzten 5 Jahre haben auch diese Prognose zur Zahlenspielerei degradiert.

4.      Der zur Zeit stattfindende Rückgang der Fertilität selbst in den ärmsten Ländern widerlegt wenige Jahre alte Hochrechnungen.

5.      Die für manche westeuropäische Staaten wie z.B. Deutschland prognostizierte Bevölkerungsschrumpfung ist nicht eingetreten. Stattdessen wuchsen die jeweiligen Bevölkerungen wegen Zuwanderung.

Die moderne Demographie geht von der Prämisse aus, dass der weltweite Rückgang der Fertilität ausschliesslich (oder mindestens in erster Linie) darauf zurückzuführen ist, dass Frauen oder Männer durch bewusstes Verhalten Geburten verhindern.


Die moderne Demographie basiert wie die darwinistische Evolutionstheorie in vieler Hinsicht auf dem Weltbild von Malthus: <Die Individuenzahl einer Art wird nur durch externe Faktoren wie Lebensraum und Nahrung begrenzt. Eine Art, die sich in einem begrenzten Lebensraum entwickelt hat, der bestenfalls 1 Million Individuen Platz bietet, könnte sofort auf eine Individuenzahl von 1 Milliarde wachsen, wenn sich der Lebensraum auf das 1000-fache vergrössert.>

Gemäss der hier vertretenen Sättigungsthese, die nicht nur für Menschen, sondern für alle Lebewesen gilt, liesse sich die Individuenzahl zumindest kurzfristig nicht wesentlich über eine 1 Million erhöhen. Langfristig hingegen könnte die Art auf Kosten anderer verwandter (ausgestorbener) Arten wachsen.


Als stärkstes Argument gegen die Sättigungsthese gilt die Bevölkerungsentwicklung der Menschheit. Es gibt Schätzungen, nach denen zur Zeit mehr Menschen leben, als je gestorben sind. Ganz abgesehen vom Problem der Definition 'Mensch' basieren solche Schätzungen auf unhaltbaren Prämissen.

Bis vor noch nicht allzu langer Zeit galt (im abendländischen Kulturkreis) als sicher, dass wir Menschen alle von einem einzigen Paar abstammen, das vor wenigen tausend Jahren lebte (eine moderne Variante: mitochondriale Eva). Die Vorstellung einer in erster Linie immer nur wachsenden Weltbevölkerung ist somit tief verwurzelt.

Da die darwinistische Evolutionstheorie eine kontinuierliche gleichzeitige Evolution grösserer Populationen ausschliesst (obwohl dies faktisch vorkommt), stützt auch diese Theorie die These einer kleinen Gründerpopulation der Menschheit (und der Rassen).

Die letzten 50 Jahren zeigen einerseits, dass ein jährliches Bevölkerungswachstum von über 3% nichts Ungewöhnliches ist, wenn die Überlebensbedingungen günstig sind, und andererseits, wie schnell sich Wachstumsraten sowohl nach oben wie nach unten ändern können. Bei einem jährlichen Wachstum von etwa 3% wächst eine Population in nur 100 Jahren auf das 20-fache und in 500 Jahren auf das 3-Millionen-fache.

Ist es bei dieser Faktenlage nicht völlig unsinnig, mittels Hochrechnungen die vergangene Bevölkerungsentwicklung der Menschheit finden zu wollen? Auch das Argument, erst Ackerbau und Viehzucht oder andere technologische Fortschritte hätten es möglich gemacht, dass die Erde mehr als z.B. 100 Millionen Menschen ernähren kann, ist völlig aus der Luft gegriffen.

In Bangladesch (weniger als 0.1% der Landfläche der Erde) leben auch ohne viel moderne Landwirtschaft über 100 Millionen Menschen. Die Sahara war vor nicht allzu langer Zeit fruchtbar. Eine sehr fruchtbare Sahara könnte die ganze heutige Weltbevölkerung ernähren.

Es gibt es keine sicheren Methoden, aufgrund von Spuren (z.B. Knochen) die Bevölkerungsdichten der Vergangenheit abzuschätzen.


Die heute als gültig angesehenen Bevölkerungszahlen der neueren Vergangenheit stützen sich vielfach auf Zahlen historischer Dokumente, deren Seriosität stark angezweifelt werden muss, wenn man sich die Probleme vor Augen führt, die Volkszählungen noch im Zeitalter des Computers und der modernen Verkehrsverbindungen bereiten.

Wenn sich in einem Land der Anteil der registrierten Bevölkerung von z.B. 65% auf 95% erhöht, scheint dies alleine schon als ein Bevölkerungszuwachs von fast 50%. Auch nachdem die Registrierung von Geburten und Sterbefällen in vielen Ländern Pflicht wurde, wurden Geburten doch sicher eher gemeldet als der Tod nicht registrierter Personen. In abgelegenen Höfen, wo heute vielleicht noch zwei alte Menschen wohnen, lebten früher oft mehr als zwanzig Personen (v.a. Kinder).

So wie das zeitweilige starke 'Ansteigen der HIV-Positivität' in vielen Regionen durch die Zunahme der HIV-Tests mitbedingt war (HTLV- und HIV-Viren hat es immer schon gegeben und sind je nach Region mehr oder weniger verbreitet), so ist ein wesentlicher Teil des 'Weltbevölkerungswachstums' vor 1950 und ein kleinerer Teil nach 1950 durch immer bessere Zählungen und Schätzungen zustande gekommen.

Es ist nämlich viel naheliegender, eine Bevölkerung zu unterschätzen als zu überschätzen. Da sich zu tiefe Zahlen älterer Schätzungen immer zwanglos mit dem erwarteten Bevölkerungswachstum erklären liessen, gab es nie Grund, diese Zahlen anzuzweifeln.

Auch wenn in Afrika die registrierte Bevölkerung von Ballungszentren rasch wächst, darf man nicht übersehen, dass dabei die nicht registrierte Bevölkerung im riesigen Hinterland abnehmen kann.


Viele Demographen nehmen an, dass sich die Fertilität zwangsläufig überall bei etwa 2.1 Geburten pro Frau einpendeln wird. Sie argumentieren, dass nur diese Fertilität langfristig eine Bevölkerungskonstanz garantiert und es inzwischen ein empirisches Faktum ist, dass nach dem sog. demographischen Übergang die Bevölkerung eines Landes (einer Region) ziemlich konstant bleibt. Diese Argumentation ist aber insofern eigenartig, als in den meisten Ländern, die den demographischen Übergang hinter sich haben, die Fertilität trotz Bevölkerungskonstanz weit unter 2.1 Geburten pro Frau liegt.

Die europäischen Staaten zeigen, dass die Anzahl der Geburten in viel stärkerem Masse mit den Sterbefällen als mit den Frauen im fruchtbaren Alter korreliert. Je mehr Frauen im fruchtbaren Alter und je weniger Sterbefälle, desto tiefer ist die Fertilität. Gerade die Länder mit den geburtenstarken Jahrgängen in den 60-iger und 70-iger Jahren wie z.B. Spanien, Italien und Deutschland haben jetzt eine sehr tiefe Fertilität, während die Fertilität in Skandinavien (ausgeglichene Alterspyramide mit hohem Anteil sehr alter Menschen) relativ hoch ist.

So hat 1997 Schweden bei 10.8 Sterbefällen und 11.4 Geburten pro 1000 Einwohner (Daten vom U.S. Census Bureau) eine Fertilität von 1.7, während Spanien bei 9.5 Sterbefällen und 9.4 Geburten eine Fertilität von nur 1.2 aufweist. In der EU übertraf 1995 die Zahl der Geburten um knapp 300 000 die Zahl der Sterbefälle, was einen Bevölkerungszuwachs von unter 0.1% (ohne Zuwanderung) ergibt, obwohl nur 1.4 Geburten je Frau kamen.


Jeder Einteilung von Menschen in Gruppen, wie z.B. in Rassen, Völker, Nationen oder auch soziale Gruppen haftet eine gewisse Willkür an. Für die korrekte Präsentation der Sättigungstheorie ist es trotzdem sinnvoll, die Menschheit in nicht genauer präzisierte Populationen einzuteilen. Diese Populationen sind mehr oder weniger stark miteinander verwandt. Für all diese Populationen lässt sich prinzipiell ein Sättigungswert angeben.

Ein Sättigungswert von 30% sagt aus, dass 30% der Individuen der entsprechenden Population physisch vorhanden sind, oder anders ausgedrückt, dass die dieser Population zugerechneten Seelen im Schnitt 30 von 100 Jahren am Leben sind. Die Frage, ob man den Beginn des Lebens am besten mit der Zeugung, mit der Geburt oder sonst irgendwann ansetzt, soll hier offen gelassen werden.

Dieser Sättigungswert beträgt für die Bevölkerungen Europas, Nordamerikas, Japans und einiger anderer Staaten inzwischen knapp 100 Prozent, d.h. die jeweiligen Bevölkerungen können nur noch auf Kosten anderer Populationen wachsen.

Die Bevölkerung der USA wächst wegen Einwanderung und einem Überschuss an Geburten gegenüber Sterbefällen. Sie wächst u.a. auf Kosten lateinamerikanischer und osteuropäischer Populationen. Da die Bevölkerung Lateinamerikas noch nicht gesättigt ist, macht sich die (physische oder seelische) Abwanderung eines Teils der Bevölkerung nicht bemerkbar. Da die osteuropäische Bevölkerung aber gesättigt ist, macht sich die Abwanderung in rückläufigen Bevölkerungszahlen bemerkbar.

Für die zur Zeit zum Teil starken Überschüsse an Sterbefällen gegenüber Geburten in Osteuropa gibt es weitere Gründe: 1) Zusammenbruch des staatlichen Sozial- und Gesundheits-Systems, was den Sättigungswert zwangsläufig etwas senkt. 2) In pessimistischen Zeiten ist der Wunsch nach Kindern meist gedämpft.

Zusammenfassend lässt sich sagen: <Kurzfristig können menschliche Populationen nicht über einen Sättigungswert von 100% wachsen. Mittelfristig können sie auf Kosten anderer Populationen und langfristig vielleicht sogar auf Kosten von Affenarten weiterwachsen.>

Noch um die letzte Jahrtausendwende war der arabische Raum in wissenschaftlicher, philosophischer und kultureller Hinsicht führend. Während dann in Europa die Bevölkerung zunahm, breiteten sich in Nordafrika und Südwest-Asien Wüsten aus.

Ein Anzeichen für baldige Sättigung einer Population ist ein Geburtenrückgang trotz Zunahme der Frauen im fruchtbaren Alter.

Kennt man für alle Regionen der Welt die jeweiligen Sättigungswerte, so kann man daraus den Grenzwert errechnen, bis zu dem die Weltbevölkerung (kurzfristig) weiter wachsen kann. Die Sättigungswerte lassen sich aus Alterspyramiden und anderen demographischen Daten im Vergleich mit den Daten inzwischen gesättigter Bevölkerungen abschätzen. Würde sich für die heutige Weltbevölkerung ein Sättigungswert von 77% ergeben, so würde daraus eine maximale Weltbevölkerung von 7.5 Milliarden folgen.

Im Millionen Jahre dauernden Übergang von affenähnlichen Vorfahren zu uns heutigen Menschen haben sich Bevölkerungswachstum und -Schrumpfung regional und weltweit ständig abgewechselt. Es könnte das erste Mal in der Menschheitsgeschichte sein, dass die Bevölkerung in vielen Regionen gesättigt ist, womit die Begrenzung menschlicher Seelen offensichtlich wird. Es ist gut möglich, dass der heutige Sättigungswert der Weltbevölkerung der bisher höchste je erreichte ist.


In Europa hat der demographische Übergang mehrere Jahrhunderte gedauert. In dieser Zeit wurde das Überleben der Menschen durch technologische und soziale Fortschritte vor allem in der Gesundheitsversorgung kontinuierlich erhöht. Der Sättigungswert nahm (Kriege und sonstige Katastrophen ausgenommen) mehr oder weniger kontinuierlich zu.

Viele Entwicklungsländer kamen jedoch erst nach dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg in den Genuss des sozialen und medizinischen Fortschritts. Durch Senkung der Mortalität kann ein Land, dessen Sättigungswert über Jahrhunderte um 30% gependelt ist, in weniger als einem halben Jahrhundert Sättigung erreichen. Nach dem Erreichen der Sättigung erreicht die Fertilität ein Minimum, denn einem sehr hohen Anteil von Frauen im fruchtbaren Alter stehen sehr tiefe Sterberaten gegenüber.

Die Abnahme der Fertilität wird in vielen der ärmsten Länder der schon vorausgeeilten Abnahme der Mortalität mit grösserer Geschwindigkeit und Intensität folgen, wie das in Europa und in einigen asiatischen und südamerikanischen Ländern zu beobachten war. Und wenn die mittlere Lebenserwartung nicht wieder zurückgeht, wird in diesen Ländern die Fertilität nach der Sättigung extrem tiefe Werte annehmen.

Die (inzwischen nicht mehr allgemein gültige) Beziehung zwischen Armut und Fertilität ist keine direkte sondern eine indirekte. Je ärmer und ungebildeter Populationen sind, desto höher ist ihre Mortalität und desto tiefer ihr Sättigungswert. Da sie auch als letzte in den Genuss des technologischen und medizinischen Fortschritts kommen, sind sie die letzten, die Sättigung erreichen. Auch in Europa blieb die Fertilität bei den ärmsten Bevölkerungsgruppen am längsten hoch.

Die Bevölkerung eines Landes setzt sich also aus Gruppen zusammen, welche unterschiedliche Sättigungswerte haben oder welche Sättigung zu unterschiedlichen Zeiten erreicht haben. Diejenigen Gruppen, die Sättigung als erstes erreicht haben, sind dann die ersten mit sehr tiefer Fertilität, aber auch wieder die ersten, bei denen die Fertilität wegen Überalterung wieder zunimmt. So müssten in verschiedenen Ländern mit tiefer Fertilität sozial besser gestellte Schichten zur Zeit eine höher Fertilität aufweisen als sozial schlechter gestellte.


Die Sättigungsthese gilt nicht nur für Menschen sondern für alle Lebewesen. Dass viele Tierpopulationen in ihrer Grösse über lange Zeiträume ziemlich konstant bleiben, ohne dass es zu extremen 'malthusianischen Kämpfen ums Überleben' kommt, kann kaum geleugnet werden. Auch in Tier- und Pflanzenzucht stösst man an Grenzen.

Selbst die Verbreitung von Krankheitserregern wie Bakterien und Viren unterliegt einer Sättigung. Ein irgendwo in der Welt als Auslöser einer lokalen Epidemie isolierter Erreger kann keine Bedrohung der Menschheit darstellen, genau so wenig gentechnologisch hergestellte Erreger.

Es ergeben sich neue Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen und Parasiten: Einerseits werden diese dort bekämpft, wo sie Schaden anrichten, und andererseits werden sie an Orten, wo sie keinen Schaden anrichten, bis zur Sättigung vermehrt.


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