Raum, Zeit und schwarze Löcher

Die Entfernung zum nächsten Stern beträgt etwa 4 Lichtjahre und liegt ausserhalb unserer Vorstellungskraft. Solche Entfernungsangaben sind sinnvoll, weil wir mit unserer natürlichen Raumvorstellung uns Dinge vergrössert oder verkleinert vorstellen können, ohne dass sich deren räumliche Form ändert. So lässt sich ein Modell der interstellaren Umgebung der Sonne vorstellen, in dem ein Meter einem Lichtjahr entspricht. Erst die Möglichkeit solcher Modelle macht interstellare Entfernungsangaben sinnvoll.

Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten der modernen theoretischen Physik. Aber handelt es sich um reale Objekte oder nur um theoretische Gebilde, die der Extrapolation von Fehlern heutiger physikalischer Theorien ihre Entstehung verdanken? Wer das Unendliche bei realen Grössen der Natur ablehnt, muss auch die schwarzen Löcher ablehnen, denn bei ihnen wachsen Grössen ins Unendliche.

Jede Erkenntnis, die über inhaltsloses formales Ableiten hinausgeht, muss einen Bezug zu einer sinnlichen Wahrnehmung oder Vorstellung haben. Im Folgenden wird ein wesentliches Prinzip schwarzer Löcher, aufbauend auf mehreren Varianten eines hypothetischen 'schwarzen Tunnels' anschaulich dargestellt.

Ein 'schwarzer Tunnel' der ersten Variante soll folgende Eigenschaften haben:

<Er ist von aussen betrachtet nur 200 m lang. Läuft man in den Tunnel, so kann man das andere Ende jedoch nie erreichen, weder nach 200 m noch nach 1000 Lichtjahren. Sonst ist nichts aussergewöhnlich. Die Abmessungen im Tunnel bleiben immer dieselben. Der Eingang erscheint immer genauso weit entfernt, wie weit man in den Tunnel eingedrungen ist.>

Ist so ein Tunnel vorstellbar, d.h. 'in logischem Sinne' widerspruchsfrei? Wer dies leugnet, kann so argumentieren: Derselben Strecke wird einerseits z.B. 1000 m (im Tunnel) und andererseits weniger als 200 m (ausserhalb davon) zugewiesen, was ein offensichtlicher Widerspruch ist.

Die Aussage, dass man das andere Ende des Tunnels nach 1000 m nicht erreicht, kann so verstanden werden, dass ein Fussgänger mit einer Schrittlänge von 1 m nach 1000 Schritten dieses Ende nicht erreicht. Dies ist möglich, wenn wir annehmen, dass der Fussgänger beim Eindringen in den Tunnel kontinuierlich zusammenschrumpft: nach 50 m auf die Hälfte, nach weiteren 25 m auf ein Viertel, weiteren 12,5 m auf ein Achtel, usw.. Auf diese Weise kann der Fussgänger ewig weiter laufen, nähert sich aber von aussen betrachtet nur dem Zentrum des Tunnels, das er nie erreichen kann. Diese Sicht ist widerspruchsfrei. Der schwarze Tunnel wird etwas entmystifiziert, denn Schrumpfung von Gegenständen bereitet im Gegensatz zum Anwachsen des Raums der anschaulichen Vorstellung keine Schwierigkeiten.

Ein schwarzes Loch soll beim Kollaps eines ausgebrannten Sterns ausreichender Masse entstehen. Die Theorie sagt, dass ein Körper, der in ein schwarzes Loch fällt, auch nach einer beliebig langen Zeitspanne der Umgebung sich dem Zentrum nur bis zum sog. Schwarzschild-Radius nähern kann. Jedoch vom fallenden Körper betrachtet dauert es nicht lange, bis das Innere der durch diesen Radius gegebenen Kugel erreicht ist. So gibt es das Paradox, dass ein Körper in ein schwarzes Loch fällt, wieder herauskommt und feststellt, dass im übrigen Universum inzwischen eine unendlich lange Zeitspanne vergangen ist.

Das Prinzip solcher Voraussagen lässt sich gut anhand des schwarzen Tunnels aufzeigen: Ein Körper soll in der Lage sein, den schwarzen Tunnel in einer begrenzten Zeitspanne zu durchqueren, während für einen Beobachter ausserhalb des Tunnels der Körper auch nach einer beliebig langen Zeitspanne nicht einmal das Zentrum des Tunnels erreichen kann. Vom Körper betrachtet ist der Tunnel unendlich lang. Er kann den Tunnel also nur durchqueren, wenn auch seine Eigengeschwindigkeit ins Unendliche wächst.

Für die zweite Variante des schwarzen Tunnels fordern wir zusätzlich zur ersten Variante:

<Die Eigengeschwindigkeit des Körpers, mit der dieser in den Tunnel eindringt, wächst in dem Masse kontinuierlich, wie der Körper zusammenschrumpft.>

Wenn der Körper 1 Sekunde braucht, bis er von aussen betrachtet die ersten 50 Meter in den Tunnel eingedrungen ist, so braucht er für die nächsten 25 Meter nur noch 1/2 Sekunde, denn obwohl es sich bei diesen 25 Metern für ihn um eine gleich lange Strecke handelt, wird diese Strecke in der halben Zeitspanne durchlaufen, da seine Eigengeschwindigkeit hier doppelt so hoch ist.

Eine simple Rechnung ergibt, dass der Körper nach genau 2 Sekunden das Zentrum des Tunnels erreicht. Von aussen betrachtet existiert der Körper in diesem Moment nicht, da er bei unendlicher Eigengeschwindigkeit in Bewegungsrichtung auf die Länge Null geschrumpft ist. Nach weiteren 2 Sekunden kommt er auf der anderen Seite des Tunnels wieder heraus. Unter diesen Annahmen hat der Körper von aussen betrachtet immer die konstante Geschwindigkeit von 50 m/s, denn 200 m werden gleichmässig in 4 Sekunden durchlaufen.

Für die dritte Variante des Tunnels fordern wir zusätzlich:

<Im Tunnel verlangsamen sich alle Prozesse des Körpers in dem Masse, wie er schrumpft und seine Eigengeschwindigkeit zunimmt.>

Diese Variante ähnelt in mancher Hinsicht schwarzen Löchern:

Ein Körper kommt 4 Sekunden (Eigenzeit) nach Eintritt in den Tunnel auf der anderen Seite heraus und stellt fest, dass ausserhalb des Tunnels inzwischen eine unendliche Zeitspanne vergangen ist. Während der Körper schon nach 2 Sekunden (Eigenzeit) das Tunnelzentrum mit unendlicher Eigengeschwindigkeit durchquert, wird seine Geschwindigkeit von aussen betrachtet immer kleiner, je mehr er sich dem Zentrum nähert, das er jedoch nie ganz erreichen wird (wie bei der ersten Variante).

Wir haben also zwei entgegengesetzte Geschwindigkeiten, nämlich die Geschwindigkeit von aussen betrachtet, die gegen Null geht, und die des Körpers im Tunnel, die gegen unendlich geht. Wenn man rechnerisch wieder auf eine konstante Geschwindigkeit (d.i. Quotient aus Strecke und Zeitintervall) kommen möchte, hat man folgende Möglichkeiten: Entweder man bezieht Strecken auf das Tunnel-Innere und Zeitintervalle auf das Tunnel-Äussere oder Strecken auf das Äussere und Zeitintervalle auf das Innere. In beiden Fällen ergibt sich 50 m/s als konstante Geschwindigkeit.

Nur solche Überlegungen unter Zuhilfenahme unserer natürlichen Raum- und Zeitvorstellung geben uns eine Möglichkeit, physikalische Theorien zu beurteilen. Man kann schlecht beweisen, dass Voraussagen wie die der schwarzen Löcher falsch sind. Dazu müsste man einen Widerspruch finden, der sich nicht durch Zusatzannahmen entkräften liesse. Die Unsinnigkeit solcher Voraussagen oder Zusatzannahmen lässt sich nur durch Einsicht erkennen, Einsicht aber setzt im Gegensatz zu rein formalem Ableiten einen Bezug zur Anschaulichkeit voraus.

Auch das Paradox <etwas fällt in ein schwarzes Loch, kommt wieder heraus und stellt fest, dass im übrigen Universum inzwischen eine unendliche Zeitspanne vergangen ist> lässt sich leicht als scheinbares Paradox abtun, solange man nicht versucht, sich seine sprachliche oder mathematische Formulierung anschaulich zu machen. Die unendliche Zeitspanne kann anschaulich nur bedeuten, dass sie nie zu Ende geht. Ein Danach ist somit nicht möglich, da es voraussetzt, dass die Zeitspanne davor zu Ende geht.

Man stelle sich vor, jemand behaupte die Existenz eines schwarzen Tunnels der ersten Variante. Wie kann man argumentieren, wenn man dies für Unsinn hält? Man kann darauf hinweisen, dass man sich dem Zentrum des Tunnels prinzipiell auch von der Seite nähern kann und sonderbare Dinge passieren würden, wenn es gelänge, seitlich in den Tunnel einzudringen, vor allem in der Nähe des Zentrums.

Diese Problematik lässt sich einfacher an einer Garage erläutern, die von aussen betrachtet 2 m hoch, 3 m breit, aber nur 1 m lang ist. Das Erstaunliche an der Garage soll sein, dass Fahrzeuge bis zu einer Länge von 5 m Platz finden. Auch wenn man die Garage von innen ausmisst, kommt man zu den Werten: 2 m hoch, 3 m breit und 5 m lang. So eine Garage ist vorstellbar, und zwar dadurch, dass innerhalb der Garage alles in Längsrichtung auf 1/5 verkürzt wird.

Da alles in gleicher Weise verkürzt ist, gibt es keine Möglichkeit, diese Verkürzung in der Garage festzustellen. Weder beim Übergang von aussen nach innen noch von innen nach aussen passiert etwas Ungewöhnliches. Steht man zur Hälfte in der Garage, ist diese Hälfte bezogen auf den normalen Raum zwar auf 1/5 verkürzt, doch weder ein Beobachter in der Garage noch einer aussen kann irgendeine Verzerrung feststellen (ausser er könnte durch die Seitenwände schauen). Bezogen auf den normalen Raum werden Lichtstrahlen am Eingang der Garage so gebrochen, dass optisch der Eindruck entsteht, die Garage sei 5 m lang.

Wenn die Seitenwände durchsichtig wären, könnte man ein 5 m langes Auto als 1 m langes zusammengedrücktes Auto wahrnehmen, denn das Auto befindet sich zu 100% hinter einer Seitenfläche, die nur 1 m lang ist. Wären die Seitenwände sogar durchdringbar, könnte man versuchen, das Auto durch eine Seitenwand zu schieben. Das hätte aber mit Sicherheit die Zerstörung des Autos zur Folge, denn jede Strecke in Längsrichtung des Autos würde sich beim Durchgang durch die Seitenwand auf die fünffache Länge strecken wollen. Ja nicht einmal Elementarteilchen könnten den Durchgang durch eine Seitenwand wegen der abrupten Verzerrung von 5:1 problemlos überstehen, denn auch sie haben räumliche Ausdehnung.

Um theoretisch den Durchgang von Elementarteichen durch eine Seitenwand zu ermöglichen, müssen wir den Aussenraum fliessend in den Innenraum übergehen lassen. Wir können uns die Seitenwände z.B. so vorstellen, dass sie 10 mm dick sind und in diesem Bereich sich alles kontinuierlich dem Innenraum anpasst. Wenn ein Wasserstoffatom mit einem Durchmesser von 100 Pikometer so eine Wand durchquert, schrumpft seine Ausdehnung in Längsrichtung der Garage bezogen auf den normalen Raum kontinuierlich von 100 pm auf 20 pm, d.h. nach 1 mm auf 96 Pikometer, nach 2 mm auf 92 pm und nach 10 mm auf 20 pm. Die Verzerrung des Atoms ist vernachlässigbar klein.

Beim schwarzen Tunnel ist die Situation noch extremer, denn zum Zentrum hin wird die Verkürzung (bzw. Raumstreckung) unendlich. Wenn ein Elementarteilchen von der Seite her in den Tunnel eindringen könnte, wobei sich eine Hälfte des Teilchens auf der einen und die andere Hälfte auf der anderen Seite des exakten Zentrums befindet, würde das Teilchen beim Eindringen zerrissen, wobei die Bestandteile des Teilchens dann im Tunnel durch unendliche Distanzen voneinander getrennt wären. Die eleganteste Möglichkeit, den direkten Zugang zum Zentrum zu verunmöglichen, besteht darin, aus dem schwarzen Tunnel eine schwarze Kugel zu machen, weil es dann keinen direkten Weg mehr zum Zentrum gibt.

Auch wenn solche Überlegungen lebensfern scheinen, handelt es sich um dasselbe Prinzip, durch das man Aluminiumstangen, die etwas länger als 5 m sind, in einer entsprechend kalten exakt 5 m langen Garage unterbringen kann. Die Längeneinheit Meter wird mittels der Wellenlänge einer bestimmten elektromagnetischen Strahlung definiert. Und wenn elektromagnetische Strahlung von einem Gravitationsfeld nicht unbeeinflusst bleibt, müsste sich auch die Wellenlänge ändern.

Aus der einfachen Annahme <elektromagnetische Strahlung wird in gleicher Weise von einem Gravitationsfeld beschleunigt wie materielle Körper> folgt, dass die Wellenlänge durch Gravitationsbeschleunigung gestreckt wird. Die Wellenlänge streckt sich dann aus demselben Grund wie sich der Abstand zwischen den Autos einer Kolonne vergrössert, die aus einer Kurve beschleunigt.

Im Gegensatz dazu baut die allgemeine Relativitätstheorie darauf auf, dass sich die Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung und damit unsere Längeneinheit durch Gravitationsbeschleunigung verkürzt. Diese Verkürzung ist Folge der postulierten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und führt bei schwarzen Löchern zu den beschriebenen extremen Konsequenzen.


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