Einsteins Äquivalenz-Prinzip & Schwarze Löcher

Wolfgang G. Gasser – Jan. 2016

Der Hauptverantwortliche für die Allgemeine Relativitätstheorie Albert Einstein war bekanntlich kein Freund der Schwarzen Löcher (siehe auch Simple Black Hole Paradox).

Eine Ursache der Schwarzen Löcher liegt in Einsteins Anwendung des Äquivalenz-Prinzips. Mit diesem Prinzip lässt sich gravitative Zeitverlangsamung ableiten. Nehmen wir dazu die Höhendifferenz h = 22.56 m von einem Punkt über dem Boden zum Erdboden (Pound-Rebka-Experiment). Gemäss Äquivalenz-Prinzip können wir die Situation durch einen Aufzug von 22.56 m Höhe ersetzen, der im schwerlosen Raum mit a = 9.81 m/s2 konstant in Richtung Aufzugdecke ("oben") beschleunigt wird.

Um diese Zeitverlangsamung über h = 22.56 m Höhe zu berechnen, reicht folgende Annäherung völlig aus: Licht benötigt t = h/c = 75 ns um im Aufzug von "unten" nach "oben" zu gelangen. Während dieser 75 ns wird die Aufzugdecke auf v = a t = 7.4 ∙10-7 m/s2 beschleunigt. Somit bewegt sich die Decke bei Eintreffen des Lichts mit v vom Licht weg. Das entspricht Doppler-Effekt "Sender in Ruhe, bewegter Empfänger". Eine Frequenz, die von unten kommt, wird um den Faktor (c - v) / c verlangsamt. In unserem Fall ist das eine Frequenz-Verminderung um Δf / f = -v/c = -2.46 ∙10-15.

Wir können das Ganze auch in die andere Richtung machen. Anstatt einen Punkt 22.56 m über dem Boden zu nehmen, graben wir ein 22.56 m tiefes Loch und schicken das Licht nach unten. Auf unser Gedankenexperiment übertragen setzen wir die Lichtgeschwindigkeit dieses Mal an der Aufzugdecke auf c, und schauen was passiert wenn der Aufzug konstant nach "oben" (d.h. entgegen Ausbreitung des Lichts) beschleunigt wird. Die Dauer von oben nach unten beträgt (in erster Annäherung) wieder t = h/c = 75 ns. Während dieser 75 ns beschleunigt der Aufzugboden auf v = a t = 7.4 ∙10-7 m/s2 auf das Licht zu. Wieder kommt Dopplereffekt "Sender in Ruhe, bewegter Empfänger" zur Anwendung, diesmal jedoch bewegt sich der Empfänger "unten" auf das Licht zu (anstatt "oben" vom Licht weg), d.h. Frequenzen werden um Faktor (c + v) / c erhöht. Frequenzänderung beträgt diesmal Δf / f = +v/c = +2.46 ∙10-15.

Ich weiss nicht ob Einstein irrtümlicherweise gemeint hat, diese zwei Ergebnisse seien äquivalent, oder ob er bewusst aus anderen Gründen beim Aufzug-Gedankenexperiment zum Äquivalenz-Prinzip die Variante "von unten nach oben" der Variante "von oben nach unten" vorgezogen hat.

Der riesige Unterschied zwischen den beiden Varianten wird besonders deutlich, wenn wir anstatt Pound-Rebka-Potential ΔPot = h a = 22.56 m ∙ 9.81 m/s2 das Ereignishorizont-Potential ΔPot = ½ c2 eines Schwarzen Lochs nehmen. (Ein Ereignishorizont tritt beim sogenannten Schwarzschild-Radius rs auf, wo die Fluchtgeschwindigkeit klassisch gerechnet c beträgt und rs as = G m / r = ½ c2 = ΔPot gilt, mit G als Gravitationskonstante und as als Ereignishorizont-Beschleunigung. Einheiten beziehen sich auf einen massefreien, nicht-verzerrten Raum.)

Der einfachen Zahlen wegen stellen wir uns einen Quasi-Stern mit einem Radius rs = ½ LS ≈ 1.5 ∙108 m (LS = Lichtsekunde) und einer Oberflächen-Beschleunigung as = c / Sek ≈ 3∙108 m/s2 vor. (Der Quasi-Stern hat dann gut 20% des Sonnenradius bei gut 50 000 Sonnenmassen.) Für das Gedankenexperiment mit dem Aufzug können wir somit h = rs als Höhe und und a = as als Beschleunigung setzen. Eine Näherungs-Rechnung wie beim Pound-Rebka-Experiment reicht nicht mehr aus.

Betrachten wir Licht, das im Aufzug von "unten nach oben" gesendet wird. Das Licht startet unten mit c und durchquert in t die Strecke t c. Wegen der Beschleunigung des gesamten Aufzugs bleibt die Decke nicht bei h über dem Emissionspunkt, sondern entfernt sich weiter zu h + a t2. Es gilt somit die Gleichung

t c = h + a t2

Die richtige Lösung lässt sich leicht finden:

t = c/a + √[c2 - 2 a h] / a

Bei unserer Ereignishorizont-Bedingung ΔPot = h a = ½ c2 gilt 2 a h = c2 und somit folgt t = c / a = 1 s. Während dieser Sekunde, die das Licht braucht, um vom Boden die Decke zu erreichen, beschleunigt die Decke auf t a = c. In dem Moment also, wo das Licht die Decke erreicht, bewegt sich diese mit c vom Licht weg. Dadurch wird eine Senderfrequenz vom Boden auf Frequenz null reduziert, was wiederum als Zeitstillstand von "unten" in Bezug auf "oben" interpretiert wird: tunten = toben (c - c) / c = 0 toben. In folgendem Diagramm repräsentiert die blaue Linie Licht "von unten nach oben", das nach t = 1 Sekunde die Decke bei h = 0.5 Lichtsekunden über dem Boden mit unendlicher Zeitdilatation (resp. Rotverschiebung) erreicht:

 

Die vertikale Koordinate h (Höhe über Aufzugboden) reicht von Null bis 0.5 LS, d.h. vom Boden des Aufzugs bis zur Decke. Die horizontale Zeitkoordinate t reicht von 0 bis 1 s. Die punktierten Linien repräsentieren Lichtausbreitung bei fehlender Beschleunigung des Aufzugs.

Das Diagramm zeigt auch, dass Lichtausbreitung "von oben nach unten" (hier in violett) sich anders verhält als "von unten nach oben" (in blau). In der Variante "von oben nach unten" gilt die Gleichung

h - t c - a t2 = 0

Als gewünschte Lösung ergibt sich:

t = √[c2 + 2 a h] / a - c/a

Wegen ΔPot = h a = ½ c2 ergibt das t = (√[2 c2] - c) / a = (√2 - 1) Sek ≈ 0.414 s. Während dieser Zeit t beschleunigt der Boden mit a = c / Sek auf v = t a = (√2 - 1) c ≈ 0.414 c auf das Licht zu. Eine von oben kommende Frequenz wird somit auf funten = foben (c + v) / c = √2 foben erhöht. Anstatt unendlicher Zeitverlangsamung haben wir in dieser Variante "unten" nur eine Zeitverlangsamung um den Faktor √2 gegenüber "oben".

Ganz allgemein führt diese konkrete Anwendung des Äquivalenz-Prinzips gemäss Einsteins Variante "von unten nach oben" zur einer Zeitverlangsamung von

tr = t ∙ √[ 1 - 2 G M / (r c2) ] = t ∙ √[1 - r / rs]

mit rs als Schwarzschildradius, tr als Zeit bei Abstand r, und t als unbeeinflusste Zeit bei unendlichem Abstand. (Siehe Gravitational time dilation). Gemäss der Alternative "von oben nach unten" ergibt sich die weit weniger problematische Formel:

tr = t / √[ 1 + 2 G M / (r c2) ] = t / √[1 + r / rs]

Diese Zeitverlangsamung stimmt mit theoretischen Überlegungen überein, bei denen das Äquivalenz-Prinzip nicht vom Postulat der Konstant der Lichtgeschwindigkeit behindert wird. Symmetrie zwischen "von oben nach unten" und "von unten nach oben" ist dadurch garantiert, dass Lichtgeschwindigkeit "oben" auf c0 gesetzt wird. Beim Fall auf einen Schwarzschild-Radius wird die Lichtgeschwindigkeit dann gemäss der trivialsten Interpretation des Äquivalenz-Prinzips ganz einfach auf cunten = √2 c0 beschleunigt.

Nimmt man bei der Variante "von unten nach oben" (wieder in blau in folgendem Diagramm) anstatt c = c0 die Start-Lichtgeschwindigkeit c = cunten = √2 c0, erhält man ein zu "von oben nach unten" symmetrisches Verhalten (die ursprüngliche Variante "von unten nach oben" hier in hellgrau):

 

Gravitative Zeitverlangsamung dürfte somit viel häufiger vorkommen als es möglich scheint gemäss der ART, wo relativ schnell die Falle "schwarzes Loch" zuschlägt. Nehmen wir z.B. gravitative Zeitdilatation verursacht von der Sonnenmasse in Abhängigkeit des Radius:

 

Der Schwarzschild-Radius der Sonne liegt bei 2.95 km und ist im Diagramm als grün gestrichelte Linie gekennzeichnet. Zeitverlangsamung gemäss Allgemeiner Relativitätstheorie: in blau, gemäss der hier präsentierten Alternative: in violett. Zeitverlangsamung entspricht in beiden Fällen dem Lorentz-Faktor γ[β] mit β = ve / c und ve als Fluchtgeschwindigkeit. Aber während Einstein c unverändert bei c0 lässt, haben wir bei der Alternative eine potentialabhängige Lichtgeschwindigkeit ce, die man als Flucht-Lichtgeschwindigkeit bezeichnen könnte. Diese ist am Schwarzschildradius mit c = ce = √2 c0 genau so gross, dass sie trotz Beschleunigung nach unten mit wieder c = c0 "oben" ankommt.

Einstein soll das Äquivalenz-Prinzip als seinen "glücklichsten Gedanken" bezeichnet haben. Der Grund liegt darin, dass dieses Prinzip ihm eine anschaulich-konkrete Verknüpfung der Speziellen Relativitätstheorie mit Gravitation ermöglichte. Natürlich nahm Einstein nur den infinitesimalen Fall, und probierte diesen möglichst korrekt in seine Feldgleichungen einzubauen. Aber erstaunlicherweise kommt dann bei der Schwarzschild-Lösung dieser Feldgleichungen nur wieder das heraus, was ich hier (Diagramm, Formel) als "von unten nach oben" bezeichne.


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