Kausale und finale Naturgesetze

Kausale Naturgesetze können in deterministische und probabilistische eingeteilt werden. Würfelgesetze sind kausal, aber nicht deterministisch sondern probabilistisch. Die Gesetze der Planetenbahnen sind (wenigstens in nicht allzu grossen Zeiträumen) deterministisch. Bei einem kausal erklärbaren System hängt die weitere Entwicklung nur von momentanen Zuständen und Wirkungen ab. Weder Vergangenheit, sofern keine kausalen Wirkungen in die Gegenwart reichen, noch Zukunft beeinflussen das System. Weil Fernwirkungen ein wesentliches Prinzip der Natur sind, ist es sinnvoll, 'kausal' so wie in der klassischen Physik aufzufassen und nicht wie in der Relativitätstheorie auf 'lokal kausal' zu beschränken. Die Strahlungswirkung der Sonne auf die Erde ist lokal kausal, die Gravitationswirkung aber ist wie jede Fernwirkung nicht-lokal kausal.

Wenn die Entwicklung eines Systems nicht nur von momentanen Zuständen und Wirkungen abhängt, sondern das momentane Verhalten des Systems nur dadurch verständlich wird, dass man es in Beziehung zu einer höheren Ordnung setzt, handelt es sich um finale Naturgesetze. Die höhere Ordnung kann eine (nicht-kausale) Beziehung des Systems zur (eigenen) Vergangenheit sein, sie kann sich im System in der Zukunft, oder in einem übergeordneten System in der Gegenwart oder Zukunft zeigen.

Die Entwicklung von Erdumlaufbahn und Erdklima ist über grosse Zeiträume kausal nicht determiniert, sondern hängt von vielen Zufällen ab. Verschiedene Entwicklungen waren und sind möglich, die sich sehr stark in ihren Auswirkungen auf das irdische Leben unterscheiden. So sind zwei Entwicklungen denkbar, die kausal betrachtet gleich wahrscheinlich sind, wobei eine Entwicklung zum Aussterben aller höheren Lebensformen führt und die zweite die weitere Evolution fördert. Wenn die Zufälle, die zur zweiten Entwicklung führen, bevorzugt eintreten, handelt es sich um finale Naturgesetze. Bei der Erdentstehung aufgetretene Zufälle könnten in Zusammenhang mit Ereignissen stehen, die erst hunderte Millionen Jahre später auftraten. Je wichtiger die Finalität, desto grösser die Zeiträume, über die finale Naturgesetze wirken. Auch Menschen planen in grossen Zügen weiter voraus als im Detail (und halten Planungen nicht immer ein).

Wenn ein erfolgreicher Glücksspieler mehr Glück hat als er gemäss Wahrscheinlichkeit haben dürfte, kann das nicht mehr kausal sondern nur noch final erklärt werden. Finale Naturgesetze tragen neben der selektiven Wahrnehmung massgeblich dazu bei, dass Menschen ihre Vorurteile oft bestätigt finden. Wenn A glaubt, B könne ihn nicht ausstehen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass B einen Ort, an dem A auftaucht, kurz danach zufällig verlässt. Der feste Glaube, Gott habe guten Grund zur Bestrafung, erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein unangenehmes Erlebnis.

Auch wenn Glauben, Hoffen oder Beten Wirkung zeigt, handelt es sich um finale Naturgesetze. Viele parapsychologische Phänomene, wie z.B. aussersinnlich wahrgenommene Erkenntnisse, die sich danach bestätigen lassen, lassen sich mit finalen Naturgesetzen einfach erklären. Ein Mensch, der an Verfolgungswahn leidet, kann 'zufälligerweise' öfters genau dann Verdacht schöpfen und z.B. zurückschauen, wenn die Situation eine echte Verfolgung durchaus nahelegen könnte.

Auch dass ein Sektenführer vom Weltuntergang überzeugt sein kann, wird verständlich. Man stelle sich einen Sektenführer mit einer starken Beziehung zu Dreiecken und Vögeln vor: <Dieser denkt gerade an den Weltuntergang, als er drei Vögel sieht, die ein Dreieck bilden. Auch in einer anderen Richtung erblickt er drei Vögel, die ein Dreieck bilden. Wenn er in einer dritten Richtung ein weiteres Vogeldreieck sieht und die Vogeldreiecke zusammen ein neues Dreieck bilden, wird er am nahen Weltuntergang nicht mehr zweifeln.>

Dass Reparatur- und Korrekturenzyme für Zellen nützlich sind, und dass Zellen mit solchen Enzymen einen Vorteil haben gegenüber Zellen ohne solche Enzyme, kann nicht bestritten werden. Wenn man aber mit diesem Vorteil das Entstehen solcher Enzyme erklärt, argumentiert man final und nicht kausal-reduktionistisch. Auch beim Versuch, die Evolution damit zu erklären, dass Gene (oder andere Einheiten) nach Verbreitung streben, handelt es sich um ein finales Erklärungsprinzip. Eine kausal-reduktionistische Erklärung müsste das, was uns als Streben nach Verbreitung erscheint, aus den physikalischen und chemischen Gesetzen ableiten.


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